Beam me up, Bill

Ein Betriebssystem für den Schreibtisch und die Welt

Friedrich Kittler / Axel Roch

Die Buchmesse wartet weiterhin auf literarische Meisterwerke, die womöglich aber gar nicht mehr kommen. Was das 19. Jahrhundert an Geist und Geld ins Buchwesen investiert hat, scheint anderen Medien zugefallen. Computermessen wie Comdex oder CeBIT jedenfalls haben jährlich neue Meisterwerke zu feiern. Aus den Hardware-Schmieden kommen Prozessoren und Speicherchips, deren Leistung noch mindestens ein Jahrzehnt lang in traumhaften Wachstumskurven wächst. Die Software-Industrie präsentiert, schon weil sie Mühe hat, den Leistungszuwachs an Endbenutzer weiterzureichen, immer mächtigere Programme und immer größere Betriebsssysteme.

Auf diesem Triumphzug der Computertechnik markiert Windows 95 eine Schwelle. Nicht umsonst geben Bill Gates und seine Microsoft Corporation allein zur Produktwerbung 400 Millionen Dollar aus. Erstmals erhebt ein Betriebssystem den Anspruch, die Spitze des technischen Fortschritts zu sein. Denn Betriebssysteme sind bislang, zumindest für Leute ohne Lötkolben, ebenso notwendig wie unmerklich geblieben. Im Unterschied zu Anwendungsprogrammen, deren mathematische Fähigkeiten oder multimediale Effekte die Eigenwerbung leicht machen, führen sie ruhmlosen Computerhaushalt. Microsofts erstes Betriebssystem, das Bill Gates gar nicht programmiert, sondern nur an IBM weiterverkauft hatte, verriet schon im Namen, daß DOS (Disc Operating System) gerade eben imstande war, einen Mikroprozessor von der Platte zu starten.

Aber Computerhaushalt heute, zumindest im weltweit größten Marktsegment der Prozessorschmiede Intel, ist ein Abenteuer. Seitdem IBM die Marktführerschaft an einfallsreichere Konkurrenten verloren hat, herrscht im Hardwarereich anstelle der Standards ein Chaos, wie es der Computerpionier Babbage einst auf dem Saumarkt zu Padua und der Buchmesse zu Leipzig beklagte. Rettung verspricht die neue Windows-Version, die ja schon im Namen nicht mehr mit Versionsnummer, sondern als Weinjahrgang aufwartet. Ein Betriebssystem, das alles verwaltet - von den Festplatten über den Bildschirmaufbau bis zur elektronischen Vernetzung -, leistet zwar auch nicht mehr als altehrwürdige Konkurrenten (von Unix bis zum System 7). Aber es löst Microsofts Vorsatz ein, Benutzern die Sache nicht bloß einfacher, sondern einfach zu machen.

Im Glücksfall merkt also gar niemand, was Microsofts Spezialisten unter Leitung von David Cutler wozu und warum geschrieben haben. Die bestbezahlten Programmierer der Welt arbeiten daran, daß andere Leute Programme nicht schreiben, sondern nurmehr kaufen. Ein Betriebssystem schließt sich über seinen Benutzern ganz wie einst das Buchwesen über Leserschaften. Denn Windows 95 verkauft, über die Haushaltführung von Schreibtischcomputern hinaus, zugleich den postmodernen und d.h. virtuellen Begriff von Schreibtisch selber. Schon auf seiner Benutzeroberfläche inszeniert das System den Abschied von Buch und Papier.

1. Graphische Benutzeroberflächen

Microsoft macht jeden Systemwechsel so unauffällig wie möglich, sei es den der eigenen Anwender, den der Konkurrenz oder sogar den vom Schreibtisch zum Betriebssystem. Daß das Inertialsystem Anwender träge ist, weiß niemand besser als Bill Gates. Windows 95, im Unterschied zu Windows 3.1, startet auf einem virtuellen Schreibtisch namens Desktop. Die Benutzeroberfläche schaltet sich gleich mit dem von Xerox PARC und Apple eingeführten Standard, der auf Workstations und Macintosh-Rechnern schon seit langem graphische Benutzerfreundlichkeit verbürgt. Wiederverwertung findet zum Beispiel der von Apple bekannte Papierkorb, den Microsoft mit einem Recycling-Symbol wenn schon nicht funktionell, so doch optisch und patentrechtlich von der Macintosh-Oberfläche abgesetzt hat.

Jede neue Windows-Version ist aber auch eine Wiederverwertung von Dateien, sichtbaren und unsichtbaren. Der Programm-Manager aus Windows 3.0, der Programme und Dateien ikonisiert in Fenstern verwaltete, ist in Windows 95 wie die Dateien selber optional verwendbar, per Voreinstellung aber verschwunden. Mit Windows 3.1 führte Microsoft den Datei-Manager ein - weg von der anwendungsorientierten hin zur dokumentorientierten Datenschnittstelle. Windows 95 mit dem Explorer läßt auch längere Dateinamen zu, als DOS sie erlaubte, aber kein anderes Betriebssystem kann zur Zeit solche Namen mit mehr als 12 Zeichen verwalten und für Anwender sichtbar machen. Eine künftige Schnittstelle namens Kairo schließlich soll nicht nur Dateinamen, sondern auch deren Inhalte auf der Oberfläche darstellen und unter ihr verstecken.

Microsofts späte Versöhnung mit dem Desktop-Standard macht aber Apple noch nicht zum Sieger. Nicht einmal die Xerox-Forscher in Palo Alto brauchten graphische Benutzerfreundlichkeit neu zu erfinden. Das einfachste Dialogelement, im Englischen einfach Push-Button und nicht etwa virtuelle Taste oder dergleichen genannt, stammt ausnahmsweise nicht aus dem Büroalltag, sondern aus dem Krieg. Der Push-Button, der im Zweiten Weltkrieg die Drehknöpfe an mobilen Radiogeräten ablöste, hielt nicht nur mechanischen Schlägen unter Gefechtsbedingungen stand, er beschleunigte auch den Befehlsfluß, weil der Funker auf die Feinabstimmung von Frequenzen weder Zeit noch Aufmerksamkeit verschwenden mußte. In der schnellen Abfolge der Kriegsproduktion mußten Geräteserien, genauso wie die Funker selber, austauschbar gemacht werden. Die benutzerfreundlichen Push-Buttons, auch als Radio-Buttons an zivilen Radiogeräten, kannten lange vor PC-Anwendern die Eleganz von Geräteschnittstellen: Anpassung an einen Befehlsfluß.

Aber auch die Zweidimensionalität, auf die Windows begrenzt ist, hat eine militärische Kurzgeschichte. Der Zweite Weltkrieg, der Offensivwaffen wie Panzer oder Jäger immer schneller und beweglicher machte, zwang die Abwehr zur Entwicklung automatischer Zielverfolgungsgeräte. Aus ihnen gingen im Nachkrieg, elektronisch aufgerüstet, Joystick und Trackball hervor. Der Joystick erhöhte die Trefferquote durch Korrektur ballistischer Flugkörper. Nur zwei Raumdimensionen mußte ein Schütze mit dem Ziel zur Deckung bringen, denn die dritte Achse bestand in der Flugbahn selber. Der Trackball, auch in Konkurrenz mit dem Joystick, fand bei der Signalverfolgung auf Radarschirmen Anwendung. Douglas Engelbart, der Schöpfer der Maus, brauchte ihn nur umzudrehen und um Druckknöpfe zu ergänzen. Lange bevor Xerox Star- und heute auch PC-Anwender die Eingabe von Befehlen über die Maus kennenlernten, gerieten nur Soldaten und Piloten in die Verzückung, Befehle und Daten für halbautomatische Waffensysteme bereitzustellen. Wenn aber vollautomatische Waffensysteme jede Subjektivität von Menschen schon längst an Maschinen übergeben haben, stellt sich die bescheidene Frage, warum Anwender Computer überhaupt noch bedienen.

Eine vorläufige Antwort ist Windows 95. Der Computer als Universale Turingmaschine kann alle anderen Maschinen simulieren, und Windows 95 ist auf dem Weg, immer mehr externe Medien zu virtualisieren. Kommunikationsmedien wie das Telephon spricht das Betriebssystem über ein Modem an, das sich aufgrund mangelnder Spracherkennung und -erzeugung aber nur als Vorwahlsystem eignet. Windows 95 steuert auch ein Faxmodem als Faxgerät an. Allerdings mit dem feinen Unterschied, daß beim Datenaustausch zwischen Microsoft-Subjekten das Faxgerät nicht einfach jedem lesbare Bilder überträgt, sondern wie ein Fernschreiber die Standarddateiformate der Microsoft Corporation (Word 6.0, Excel usw.). Die Telegraphie in Konkurrenz zum Telephon dient also nicht nur dem Geldbeutel, sondern - frei nach Shannon - auch der Kryptologie.

Über den virtuellen Schreibtisch hinaus integriert Windows 95 mit gutem Grund auch Unterhaltungsmedien. Daß von den zwei Bildschirmen pro Haushalt - dem Fernsehgerät vor der Sesselgarnitur und dem Monitor auf dem Schreibtisch - mit Sicherheit nur der Monitor überleben wird, verspricht der Computerindustrie das nächste große Geschäft.

Aber der Computer als Videorekorder bleibt Zukunftsmusik. Microsoft muß, da die Ausgabegeräte als Software standardisiert sind, den PC auf die Wiedergabe von Multimedia-Dateien ausrichten. Und genau hier bremst die Computerarchitektur von Neumanns als Flaschenhals den Datendurchsatz ab: Die Farben bei der Video-Wiedergabe sind standardmäßig gerade eben 8 Bit tief. Rechenintensive und vektororientierte Arbeitstechniken wie Computer Aided Design, Image Processing und Desk Top Publishing bleiben also anderen Betriebssystemen vorbehalten. Im Vergleich zu Edisons Standardisierung der Bildwiedergabe durch das Kinetoskop ist Hollywood bei Microsoft nur ein kleines Fenster einer grobauflösenden Kinoleinwand.

2. Multitasking

Am modernen Schreibtisch, wie Napoleon ihn wohl erfunden hat, soll alles parallel laufen, am virtuellen folglich auch. Schreiben und Lesen, Video- und Musikwiedergaben sind keine Prozesse mehr, die wie unter DOS einander zeitlich ausschließen. Unter Windows 95 laboriert dieses Multitasking nicht einmal mehr an Programmen, die alle Systemresourcen (vom Prozessor bis zum Arbeitsspeicher) in Beschlag nehmen. Dem einsamen Benutzer stehen die vielen quasi-parallelen Prozesse gegenüber wie einst dem Individuum das Kollektiv namens Gesellschaft.

Die multiple Persönlichkeit, die moderne Software Computern eingibt, findet aber nur zu den Anfängen zurück. In den heroischen Gründerjahren unseres Zeitalters, als nur Mächte wie das Pentagon über Großrechner verfügten, waren Zeitscheiben selbstverständlich: Programmierer warteten nächtelang, bis ihre hausgemachte Software endlich zur Hardware durfte. Erst Intels Mikroprozessoren haben es seit 1970 möglich gemacht, einzelnen Benutzern eine ganze Maschine anzubieten. Der Personal Computer und DOS, sein dummes Betriebssystem, bescherten, gerade weil sie Multitasking gar nicht nötig hatten, den Benutzern eine Allmacht, die im Hacker schließlich auch zur Heldenfigur fand. Nur dem Pentagon war die neue Freiheit nicht geheuer. Intel erhielt Auftrag, Prozessoren zu entwickeln, die das Betriebssystem von den Anwendungen unterscheiden, d.h. vor ihnen schützen sollte. Und genau diese Zweiklassengesellschaft auf Siliziumbasis, diese Prozessorbürokratie aus Privilegien und Verboten legte die Möglichkeitsbedingung von Windows.

Jede Gesellschaft, auch die von Computerprogrammen, ruft nach einer Ethik, die ihrerseits mit einer Strategie zusammenfällt. Es ist das ausdrückliche Doppelspiel von Windows 95, DOS zugleich abzuschaffen und fortzuschreiben. Denn die bloße Abschaffung, wie Microsoft-Konkurrenten sie schon mehrfach, aber umsonst versucht haben, würde millionenfach verkaufte Software unlesbar machen (wie seinerzeit auf dem Büchermarkt die staatliche Abschaffung von Fraktur). Umgekehrt ginge die bloße Fortschreibung nicht nur an den Schutzmechanismen, sondern auch am Leistungszuwachs moderner Prozessoren vorbei. Das Kunststück, den Kuchen zugleich zu behalten und zu essen, gelingt nur der Firma, die (zusammen mit IBM) die DOS-Grenzen selber errichtet hat. Auf dem langen Weg der Windows-Versionen von 1.0 über 95 zu NT wird eines Tages ein ganzes Betriebssystem von seinem eigenen Überbau ausgehebelt worden sein.

Aber das ist, allen Werbesprüchen zum Trotz, nicht schon am 24. August 1995 geschehen. Auch in Windows 95 bleibt Microsoft, weil Monopolisten ja alles durchgeht, beim Laster undokumentierter Funktionen - und genau in diesen Kellern läuft DOS-typischer 16-Bit-Code klammheimlich weiter. Erst Windows NT als neue, nämlich 32 Bit breite Technologie ist Betriebssystem aus einem Guß.

Der Spott, den die Unvollkommenheiten von Windows 95 allenthalben ausgelöst haben, kommt dennoch unverdient. Bücher können ihre Druckfehler von Auflage zu Auflage nur darum so ungestraft ausmerzen, weil sie das, was sie schreiben, nicht zugleich tun. Programme und zumal Betriebssysteme sind einzigartige Texte, bei denen Beschreibung und Ausführung zusammenfallen. Fehler der Vorgängerversion lassen sich nicht streichen, sondern nur systematisch abfangen. Fortschritte der Hardware lassen sich nicht voraussehen, sondern nur schrittweise einholen. Der Weg zu Windows (oder nach Chicago, wie es im Firmenjargon hieß) zeugt insofern von der Schere, die die Evolutionsraten von Hard- und Software mehr und mehr trennt. Im selben Augenblick, wo die größte Softwarefirma endlich auf den Stand der größten Prozessorschmiede kommt, liefern Intels Konkurrenten schon Mikroprozessoren mit 64 oder 128 Bit aus. Dagegen ist Windows 95, anders als Windows NT, aber überhaupt nicht gerüstet. Eine bestimmte Prozessorarchitektur mit all ihren Stärken und Schwächen bleibt der Felsen, dem das Betriebssystem aufruht.

3. Virtualisierung

Alle andere Hardware dagegen, wie sie üblicherweise auf Zusatzkarten haust, also nachkäuflich ist, hat Microsoft virtualisiert. Die Chips sind zwar noch da, aber mit eingeschränkten Rechten und unter Adressen, die kein Benutzer erreicht. Anstelle fremder Hardware tritt das Betriebssystem - eine Software, die (wie sonst nur noch die Künste) ihre eigene Autonomie zelebriert. Um diese Alleinherrschaft abzusichern, hat Microsoft erst einmal Intel bedrängt, dem Prozessor einen virtuellen Modus zu spendieren, der Hardwarezugriffe systematisch abfängt (und Windows 95 auf anderen Maschinen ausschließt). Zweitens hat Microsoft - und zwar nicht, um das Werbeversprechen eines fehlerfreien Betriebssystems zu erfüllen, sondern um sein Softwareimperium vor der Konkurrenz abzuschotten - mit Windows 95 den größten Test der Computergeschichte durchgezogen. Allein in Deutschland durften Fünfzigtausend Versuchspersonen proben, ob das Betriebssystem mit dem PC-üblichen Zusatzkarten-Wildwuchs auskommt. Schon vor der Markteinführung sind also ganze Landschaften von Hardware kartographiert. Aber wie keine Bibliothek alle erschienenen Bücher archivieren und alle ungedruckten voraussehen kann, unterstützt Windows 95 nur die gängigste Hardware, die sie damit zugleich konserviert.

Auf der Oberfläche erscheint Hardwareunabhängigkeit als Objektorientierung. Eine Von-Neumann-Maschine, die materielle Basis auch von Windows 95, muß ihre Befehle aber in strikter Reihenfolge abarbeiten. Deswegen verhüllen logische Programmstrukturen wie Objektorientierung immer nur die nackte Tatsache von Zahlenfolgen. Eine pseudo-objektorientierte Ordnung von Daten und Programmen, als Dateisystem unter dem zukünftigen Namen Kairo versprochen und heute als Schnittstelle zu Programmen und Anwendern bekannt, hat also eher den Vorteil, Daten jeder Art abzuschirmen. Microsoft schützt Hardware und Dateien nicht nur vor Anwendern und Entwicklern, sondern auch sie alle voreinander. Als völlig objektorientierte Benutzeroberfläche soll Kairo (zumal in Verbindung mit Netzwerken) den Kunden im globalen Dorf nicht die Information präsentieren, die sie wünschen, sondern nur die, die sie brauchen. "Information Hiding" heißt das Software-Pendant zu Intels Chipbürokratie und ist der Versuch, Kopierschutz auf einer Hardware zu verkaufen, deren Zugriffsmöglichkeiten prinzipiell unbeschränkt sind.

Solange aber objektorientierte Strategien noch versuchen, sich als natürlich und alltagssprachlich zu präsentieren, ist ein durchgängig objektorientiertes Design auf Programmier-, Anwendungs- und Netzwerkebene nicht machbar. Microsoft muß sich zwischenzeitlich noch weiterer Tricks bedienen, um Windows zwischen Hardware und Kunden zu schalten.

4. The Microsoft Network

Auf dem Schreibtisch von Microsoft gibt es zwei Ikone, die sich nicht in den virtuellen Papierkorb werfen lassen: der Arbeitsplatz selber und ein Ikon mit der Bezeichnung "The Microsoft Network". Die Kombination von Betriebssystem und Netzwerk ist ebenso einfach wie paranoid, Klicken genügt. Ein Betriebssystem, das jede Eingabe von Tastatur und Maus abfängt und als Nachrichten an Anwendungen weiterleitet, kann auch jede Netzwerkeingabe von Benutzern überwachen und kommerziell auswerten.

Abgesehen davon, daß ein Zugang zum MS-Netzwerk nur für zahlungsfähige Kunden mit Kreditkarte möglich ist, ist Microsofts Netz (wie im Tierreich auch) eine Falle. Unfreiwillig liefert jedes Mitglied drei Sorten von Daten an die Zentrale in Redmond. Erstens die "summarischen Angaben", also statistische Daten über Benutzungsmuster und Gewohnheiten von Anwendergruppen. Zweitens "beschränkt persönliche Angaben", die zu Werbezwecken im Netz dienen, und schließlich "lokalisierende", die jeden einzelnen Anwender eindeutig identifizieren. Zu allem Überfluß bestätigt jedes Mitglied (nach § 3 des im Wortsinn unumgänglichen Beitrittsvertrags) durch einfaches Klicken, daß Microsoft "Konferenzen und Gespräche überwachen und Zugangsbeschränkungen dazu genehmigen" darf.

Eine einzelne Firma, deren stolzes Ziel es ist, 50 Millionen Netzwerkteilnehmer zu verpflichten, gewinnt also mehr, aktuellere und spezifischere Daten über Anwender, als es historischen Herrschaftssystemen je möglich war. Windows 95 ist eine als Betriebsssystem maskierte Eroberungsstrategie, die alle Träume elektronischer Geheimdienste wahr zu machen droht, aber auf kommerziellen Nutzen ausgerichtet bleibt. In Konkurrenz zu Internet und Compuserve ist Microsoft jedenfalls auf dem Weg, Marketing und Vertrieb höchst effektiv zu gestalten. Die Identifizierung und Beobachtung von Benutzern macht nicht nur den Werbedurchsatz größer, sondern auch die Distribution von Software kontrollierter: Microsoft schließt sich über The Microsoft Network mit seinen Endkunden kurz.

Welche Lizensierungsstrategien von Software sich in der Praxis noch etablieren, ob Programme in Zukunft über Benutzernamen, tatsächliche Adresse, Kreditkarten und/oder über die Identifizierung der Hardware freigeschaltet werden, wird sich zeigen. Die Tendenz ist eindeutig: jeder Personal Computer erhält eine Personalnummer und jeder Benutzer eine Adresse. Die Zeiten von Raubkopierern und Hackern scheinen vorbei.

Das wird nicht nur Microsoft und seinen Kunden, die Software über das Netz vertreiben, ein sicheres Geschäft versprechen, sondern auch den USA wichtige Exporteinnahmen schaffen. Nicht umsonst verschleppt die Clinton-Administration alle Kartellanklagen gegen Amerikas reichsten Mann. Falls sein Netzwerk und mit ihm Windows 95 sich durchsetzen, wird jeder Schreibtisch auf Microsoft abonniert sein wie bislang nur Leser auf Drucksachen. Es ist die Überlegenheit von Software-Imperien über Verlagsmonopole, daß das Schreiben und Lesen von Software wieder Software ist.