Das andere ist da, der oder diejenige, die mit der oder dem ißt und trinkt, mit dem man teilen muß. Ich glaube, mit dem Ausdruck "manger a meme l'autre", den ich gerade als quasi-äquivalent mit "andere essen" bzw. "mit anderen essen" gebraucht habe, können wir die Grammatik dessen, worüber wir gesprochen haben, etwas verfeinern. Eine der Schwierigkeiten - und daher das Interessante am Fall - ist dieser Gebrauch des "a meme" im Französischen, wie ich es sehr gerne benutze. Der französische Ausdruck "a meme" ist, ich würde nicht gerade sagen unübersetzbar - nichts ist absolut unübersetzbar -, aber doch schwer in der Oekonomie eines einzelnen Wortes oder zweier Worte wiederzugeben, und das gilt für viele Sprachen, auf jeden Fall für die, die ich zu kennen glaube.

Schwer zu übersetzen, "a meme". Man könnte natürlich bestimmte Phrasen konstruieren, das deutsche "an" benutzen oder das deutsche "bei", oder das englische "on" oder "in" oder "at", aber viele Schwierigkeiten würden bleiben - man braucht bloß versuchen, direkt und erschöpfend das wiederzugeben, was im französischen "a meme" eine Topologie oder eine Orientierung eines Körpers beschreibt, die einen Körper in Kontakt bringt mit einem anderen, und mit einem anderen ihn selbst. Das bedeutet ohne Vermittlung und als er selbst, ohne Medium, direkt, aber ohne Aneignung oder Durchdringung. Indem wir "a meme" bleiben, meinen wir im Kontakt und an der Oberfläche, das heißt an der Grenze. Kontakt an der Peripherie, am Rand, marginal. Superficial contact.

Essen oder trinken "a meme l'autre" heißt das andere absorbieren, während man an der Oberfläche des anderen bleibt. Das bedeutet, an der Lippe einer Körperöffnung ohne einzudringen, ohne einen Körperteil des anderen einzuziehen. Das Einbehalten würde den anderen notwendigerweise und gewaltsam seiner Substanz berauben. In dieser Deduktion fehlt der Kontakt des "a meme" - das Schlucken oder Essen "a meme l'autre" ist nicht notwendigerweise ein aggressives Einziehen der Substanz des anderen. Das Füttern, zum Beispiel der säugenden conlactants an der Brust ihrer Mutter oder Amme findet "a meme" der Brust statt. Das heißt, säugend in einem vermittelnden Sinn, im Kontakt der Körperöffnung, oder der zwei Körperöffnungen, des Mundes und der Brust, im Spiel von konkav und konvex. Aber auch an der Oberfläche - und das ist mit "a meme" gemeint - , an der Oberfläche, ohne in die Brust einzudringen: außer es kommt zum Biß - aber beißen ist nicht essentiell Teil des Stillens und Säuglinge haben keine Zähne...

In einem Moment werden wir sehen, was geschieht, wenn die Zähne herauszukommen beginnen, was Freud von diesen Zähnen hält, und was Karl Abraham davon hält und was Friedrich Nietzsche. Und Ferenczi, und Melanie Klein, und mehrere andere. Diese Vorstellung des "a meme" ist interessant hier, weil die Partner Körper an Körper simultan an der Oberfläche im Kontakt stehen; im Kontakt des Körpers mit dem anderen. In diesem Spiel der Ränder und Öffnungen. Und wenn es Essen gibt, heißt dieses Essen "a meme l'autre" nicht einfach den anderen essen. Selbst wenn es ein Verzehr des anderen ist (man unterscheidet Milch, Sperma, Blut und andere Sekrete, genitaler oder sonstiger Art), wenn der Säugling - der figurativ für tausend säugende Kinder steht, in einer Art Milchverzeichnis - wenn der Säugling "a meme" an der Brust saugt, dann ist "a meme" zu übersetzen als:
- unmittelbarer Körperkontakt;
- der Atem des Säuglings; und auch
- das Trinken aus der Flasche.

Essen "a meme" , vom Teller, ohne daß man Silberbesteck benutzt. Aber das bedeutet auch, normal und ohne abzubrechen sowie ohne die Augen zu gebrauchen. Selbst wenn Milch eine Substanz ist, die aus dem Inneren der Mutter kommt, was sie schließlich auch schwächen kann, indem sie die Milch verteilt, würde man eigentlich nicht sagen, daß das Stillen sie verletzt oder sie ihres Körpers beraubt, gewaltsam und gegen den Willen der Mutter. Selbst wenn wir manchmal davon in einer Weise sprechen, die wir untersucht haben, in einer Figur die weder relevant noch aber unwichtig für Kannibalismus und Interprophagie ist, vielleicht gibt es nicht nur im Verlangen der Mutter - wir erinnern uns an Augustinus - die Zustimmung der Mutter oder der Amme, die es als angenehm empfinden, zu geben, was sie von Gott erhalten.

In der Tat, was sie gibt, erhält sie zurück. Sie erhält es von Gott, in der Form des Lustgewinns. Sie erhält die Lust am Geben. Und auch wenn man dieses Augustinische Schema nicht akzeptiert, dieses christliche Schema des einigenden, kontinuierlichen Blutes, kann man jedenfalls von der Form dieses Schemas des einen Blutes übernehmen, daß man es empfangen, geniessen und als jouissance empfinden kann, sich selbst hinzugeben; das soll heißen, das zu geben, was Selbst wird im Akt des Gebens, weil es gegeben wird. Doch auf jeden Fall liegt eine Basis vor für die Differenz zwischen diesem Füttern einerseits und auf der anderen Seite zumindest Kannibalismus und Interprophagie, aufgrund der Tatsache, daß der Körper der Mutter oder Amme nicht vermindert, verletzt, durch das Stillen aufgerissen oder sonstwie verwundet wird. Und diesem Punkt sollten wir Vorrang zu geben versuchen.

Was nennt man normalerweise, strikt oder figurativ, Kannibalismus? Das könnte ein Raum sein, ein anderer ausgesparter Raum, der den Freudschen Diskurs und seine Tradition entgrenzen kann; jenen psychoanalytischen Diskurs, von dem ich letztes Mal sagte, daß er in der Einführung zu diesem Seminar in vielerlei Weise impliziert und einbezogen ist. Daß wir begonnen haben mit einem Versuch, zu rechtfertigen, daß wir in Beziehung auf das Stillen auf diese kannibalische Weise sprechen, ist ein Effekt aus dem Umfeld von Freud, "avec" Freud. Wie Freud sagt - das ist irgendwo in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie - "eine erste vorgenitale Phase ist die, die wir die orale nennen, oder die kannibalische, wenn Sie so wollen." (Wir werden auf dieses "wenn Sie wollen" noch zurückkommen. Das heißt, wenn wir wollen.) - "Die wir die orale nennen, oder die kannibalische, wenn wir wollen." Das erinnert mich an etwas, was Ihnen allen zweifellos bekannt ist, daß Freud, in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, 1905, überarbeitet und erweitert in mehreren Ausgaben bis 1920, besonders 1915 waren die Modifikationen wichtig, aber 1920 ist jedenfalls das Datum, sein letztes Vorwort zu dieser Arbeit von 1905 mit diesen Worten abschließt, die ich zitiere. Und er wird es nach Europa schicken, nach einem Artikel eines gewissen Normanson, "Freud's Theory of Libido Compared to Plato's Eros", da haben Sie letztlich jene Rolle, die das Bankett durchzieht, das Symposion bei Plato - diese Passion für die Lust.

Freud hat also in dieser Phrase aus den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, die ich gerade erwähnte, die rhetorische Route eines "wenn Sie wollen" eingeschlagen, oder wenn wir wollen - man übersetzt "wenn Sie so wollen" als ob wir wollten - diesen rhetorischen Weg des "wenn Sie wollen" vom Oralen zum Kannibalischen. Oral, oder wenn wir wollen, kannibalisch. Das tut er, wenn er jene sexuellen Phasen beschreibt, die er vorgeschlechtlich nennt, und die ihm zufolge (das muß angemerkt werden) die Analyse, gar der Ort einer Rückkehr zur primitiven Form des tierischen Leben sind. Aus zwei Gründen insistiere ich auf diesem Hinweis: Freud verbindet vorgeschlechtliche, und daher ungeschlechtliche, noch-nicht-geschlechtliche Sexualität mit der Tierhaftigkeit oder Primitivität im Menschen. Andererseits ist da seine Theorie der Verbindung zwischen der Befriedigung eines Bedürfnisses, einer überlebenswichtigen Notwendigkeit, zum Beispiel im Essen zur Erhaltung des Lebens, seine Theorie einer Entsprechung zwischen der Befriedigung eines solchen natürlichen Bedürfnisses und der Befriedigung eines Triebes über diese Notwendigkeit hinaus, in der selben Weise, aber jenseits - essen über die Forderung des Hungers hinaus.

Die Freudsche Theorie dieses Konnex ist essentiell eine Theorie des Stillens - eine reichlich komplexe und rätselhafte Theorie, und in dieser Art sehr interessant und zweifellos enorm fruchtbar - was paradox ist; sie besteht darin, dieses Aussaugen eines Verlangens über den Hunger hinaus derart über die Notwendigkeit hinaus zu beschreiben, wenn Sie so wollen, über die lebenserhaltende oder somatische Notwendigkeit hinaus. Zugleich drückt sie gegen sie - drückend und trennend, anpassend, drückend - gegen die Notwendigkeit, und dann abbrechend. Das ist das Melken. Der Druck. Sie gibt dann nach, zum Beispiel, um die Unabhängigkeit des nicht somatischen Verlangens zu beschreiben, jenseits des Somatischen. Sie konzediert eine Bestimmung der Unabhängigkeit als etwas abhängiges, kontingentes. So bricht sie ab. Weil sie als Bedingung und Seinszustand das hat, was sie offenbar nicht mehr benötigt. Weil sie sich anscheinend emanzipiert, oder sich selbst befreit. In der Ausgabe von 1915 der Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie zum Beispiel, wenn die Theorie des Stillens / des Säugens festgelegt ist. In dieser 1915er Edition ist eine Passage der Autoerotik gewidmet, genauer dem Säugling, dem Lutschen oder Nudeln, österreichische Ausdrücke für diese autoerotische Aktivitäten, simulacra der Autophagie, die darin besteht, seine eigenen Lippen zu saugen ohne Nahrung aufzunehmen: eine Nachahmung des Essens oder Trinkens. Daran zu denken oder darüber zu spekulieren, während man ohne Essen lutscht; an sich selbst zu saugen, sich selbst zu essen. Jedenfalls eine Nachahmung.

Also in einer Passage über das autoerotische Saugen stellt Freud fest, daß das Kind, wenn es saugt, eine Erinnerung an das Vergnügen wachruft, und natürlich hängt diese Erinnerung, diese Wiederholung des Erinnerten, wie Freud formuliert, zusammen mit dem Verspeisen des anderen; Eros mag das Verspeisen des anderen, findet Lust im Essen oder Trinken des anderen als Verinnerlichung des anderen. Dieses Erinnern an eine bereits erfahrene Lust, das Gefühl des rhythmischen Ziehens, das rhythmische Saugen, an der mütterlichen Brust oder der der Amme. Und Freud verwendet hier das "an", das jenes "a meme" ist - das rhythmische Saugen an einer Haut- oder Schleimhautstelle - rhythmisches Saugen also "a meme" , an einem oberflächlichen Teil von Epidermis oder Mucus. Und so erklärt Freud das Stillen an der Mutterbrust, oder "a meme" , an dem, was die Mutterbrust ersetzt. Selbst wenn es die Amme ist, das Supplement oder der Ersatz. Weil hier die warme Milch fließt, sind die Lippen eine erogene Zone...

Sie stützt sich auf/gegen eine lebenswichtige Funktion, erst später befreit sie sich - aber in dieser Befreiung setzt sie das Melken fort, dieses sich absetzen, wie ein Springer sich dort abstützt, von wo er sich wegbewegt. Hier könnten wir wieder "an" als "a meme -" übersetzen. Sexuelle Betätigung erhält ihren ersten Schwung "a meme", es ist eine jener Funktionen, die das Leben bewahren und erst später unabhängig werden. Dieses Konzept des Schubs "a meme" - wenn es ein Konzept ist - ist ganz entscheidend, und wir sollten uns da ein wenig aufhalten. Ich weiß nicht, ob es ein Konzept ist - lassen Sie uns annehmen, wir wüßten, daß es ein Konzept ist - aber in jedem Fall markiert es die Stelle eines unverzichtbaren Konzepts, und das ist das Interessante für uns.

Anfänglich, erklärt Freud uns, ist die Befriedigung, das Vergnügen der erogenen Zone, die der Mund darstellt, eng mit der Linderung des Hungers verbunden, was heißen soll, mit einer natürlichen und somatischen Funktion, die dazu bestimmt ist, Leben zu erlauben, zu erneuern, zu bewahren. Zunächst haben wir diese Art "Natur", und diese natürliche Lust - denn es ist lustvoll auch nur den Hunger durch Essen zu befriedigen - dieses natürliche Vergnügen steht in proportionaler Beziehung zur maßvollen Befriedigung einer Frau. Diese Infrastruktur - in bestimmter Hinsicht mag man sie eine natürliche, ursprüngliche, körperliche nennen - wird niemals verschwinden, selbst wenn das Verlangen in einem bestimmten Moment den Charakter ändern kann. Gemäß dieses Naturalismus, Primitivismus, dieser Physikalität, dieses Physiologismus - selbst wenn man das, wie ich mich versucht sehe zu sagen, suspekt findet, von einem anderen Gesichtspunkt aus - so hat dieser Naturalismus den Verdienst, daß er uns sofort daran erinnert, daß alle Formen des oralen Verlangens, oraler Lust, oder sexueller Lust auf jemand anders, Formen der jouissance sind, die durch den Mund gehen: dieses Verlangen bleibt kanalisiert, artikuliert und abgehoben gegen den Hunger - das heißt, gegen das Körperliche, auf das eine unreduzierbare Genealogie wieder und wieder zurückkommt. Und das - was uns sonst in der Abgrenzung des Naturalimus positiv erschien - wird die Signifikanz der Unterscheidung zwischen Bedürfnis und Verlangen immer einschränken...

Der vorliegende Text wurde unter dem Titel "Subverting the Signature. A Theory of the Parasite" in Blast unLtd. (Boston, 2/1990) veröffentlicht. Aus dem Amerikanischen von Peter Krapp, 1994.

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